Die Treibstoffwerk war ein Joint Venture der IG Farben, Royal Dutch Shell und Standard Oil of New Jersey. Das börsennotierte Unternehmen betrieb von 1940 bis 1945 hier das größte deutsche Hydrierwerk. Hergestellt wurden aus Erdöl und Steinkohle konventionelle sowie synthetische Ölfertig- und Halbprodukte, insbesondere Fahrbenzin, Dieselkraftstoff, Flugbenzin, Schmierstoffe und Paraffine.
Ab seiner Inbetriebnahme war das Werk ein Hauptziel systematischer Luftangriffe der Alliierten. In der Folge entstand eine „Hydrierfestung“, die geschützt von massiver Flak, zahlreichen Sperrballons, unterirdischen Bunkersystemen, mehreren Vernebelungs- und Scheinanlagen, trotz zunehmender Schäden weiter produzierte und selbst noch bei der Schlacht um Berlin die Heeresgruppe Weichsel mit Treibstoff versorgte.
Auf Befehl der SMAD erfolgte von Oktober 1945 bis September 1946 die Demontage der Hydrieranlagen. Nach dem vollständigen Abtransport wurde es der Verwaltung der Volksrepublik Polen unterstellt.
Bis zur Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten, und teilweise sehr weit darüber hinaus, bestanden intensive wirtschaftliche Verflechtungen der IG Farben zu allen großen damaligen Erdölproduzenten, insbesondere zu den sogenannten Sieben Schwestern. Dazu zählten ferner Royal Dutch Shell und Standard Oil of New Jersey nebst ihrer deutschen 100-prozentigen Tochterunternehmen Rhenania und DAPG (Dapol, Esso). Im September 1936 fanden erste grobe Planungsgespräche für ein Joint Venture der drei Unternehmen und dem Reichswirtschaftsministerium (RWM) zur Errichtung eines großen Hydrierwerks statt.
Das Werk sollte Erdöl, importierte Crackrückstände und Steinkohle zu Treibstoffen verarbeiten. Mehrere Faktoren entschieden über den Standort. Ein wirtschaftspolitisches Hauptziel war die Ansiedlung von Arbeitsplätzen im überwiegend landwirtschaftlich geprägten, strukturschwachen Pommern.
Dementsprechend förderte das RWM die Ansiedlung von Großinvestitionen der Mineralölindustrie mit verschiedenen Steuer- und Zollvergünstigungen, beispielsweise beim Aufbau der Infrastruktur, beim Rohölimport und mit einer Wirtschaftlichkeitsgarantie bei der Verarbeitung von Kohle. Das Erdöl sollte auf dem Seeweg auf Grundlage bereits vereinbarter Verträge aus Aruba, Kolumbien, der Sowjetunion und insbesondere aus Rumänien kommen.
Für die Anlieferung überseeischer Rohstoffe musste daher das zu errichtende Werk an der Küste liegen und gleichzeitig über eine gute Verbindung zu einem Steinkohlerevier verfügen. Daraus resultierte dieser Standort, der nahe an einer Flussmündung gelegen war und damit mit einem der größten Seehäfen des Ostseeraumes – verbunden war.
Zudem bestand neben der bereits zweispurig ausgebauten Bahnstrecke über den Fluss eine optimale Verbindung zum Oberschlesischen Steinkohlerevier. Einen einflussreichen Unterstützer fanden die Investoren unter anderem in Person des pommerschen Gauleiters Schwede-Coburg, der das ehrgeizige Ziel verfolgte, dieses Gebiet durch Ansiedlung von Industrie wieder wie vor 1919 nach Hamburg und Bremen zur drittgrößten deutschen Hafenstadt aufzubauen.
Zur Projektierung des Werks gründeten die IG Farben, Standard Oil und Shell am 17. Juni 1937 eine GmbH mit Sitz in Berlin. Dieser Tag gilt als Gründungstag der Gesellschaft. Das Stammkapital betrug zunächst 20.000 Reichsmark . Am 27. Januar 1938 folgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung auf 4 Millionen RM und Umfirmierung.
Die Planierungsarbeiten begannen im März 1938. Insgesamt wurde die Bauzeit auf zwei Jahre veranschlagt.
Im Zuge des Aufbaus fanden tausende Menschen aus ganz Deutschland eine Arbeit. Das Werksgelände erstreckte sich über eine Fläche von 250 Hektar zuzüglich eigenem Hafenterminal und zwei Stichkanälen zum nächsten großen Fluss. Dazu verfügte das Werk über eine Anbindung an die 1937 fertiggestellte Autobahn nebst zwei Bahnanschlüssen, mehreren Rangier- und Abstellgleisen sowie eigenem Bahnhof.
Die Gesamtlänge der Schienen auf dem Fabrikgelände betrugen 33 Kilometer. Eigens für den Betrieb der Anlagen entstand ein KWK-Kraftwerk, das den gesamten Elektrizitätsbedarf deckte. Allein für den Starkstrom wurden Kabel mit einer Gesamtlänge von 260 Kilometern verlegt. Der Fluss lieferte ferner das Wasser für die Hydrierung der Kohle sowie für die Kühlung der Anlagen, und zwar durchschnittlich 1 Prozent der gesamten Abflussmenge des Flusses.
Am 1. Oktober 1939 wurde der Ort in das Stadtgebiet der angrenzenden Stadt eingemeindet. Für 10.000 festangestellte Beschäftigte (1000 Wissenschaftler, 5000 Facharbeiter und Spezialisten, 4000 einfache Arbeiter) entstanden in und um den Stadtteil komplett neue Wohnsiedlungen mit zugehöriger Infrastruktur, wie einer riesigen Werksklinik, mehreren Ärztehäusern, Straßen, Park- und Gemeinschaftsanlagen, Festhallen, Sportplätze, Schwimmbäder, Turnhallen, Behördenhäuser. Außerdem existierte eine eigene Betriebskrankenkasse und eine Betriebssportgemeinschaft.
Bis zur Inbetriebnahme des Werks beliefen sich die Baukosten auf 200 Millionen RM, was heute 905.000.519,20 Euro entspricht.
Am Aufbau der Fabrik und der Werkssiedlungen waren auch Fremdarbeiter verschiedener Nationalitäten beteiligt, insbesondere Tschechen, Slowaken, Franzosen und Italiener. Diese warb die IG Farben auf freiwilliger Basis über eigene Büros in Prag, Pressburg, Paris und Rom, später auch über die ausländischen Verbindungsstellen des Generalbevollmächtigten für die chemische Erzeugung an. Für die Fremdarbeiter wurden in der Umgebung mehrere Barackenlager und Wohnheime gebaut.
Bei vielen Objekten die wir gefunden haben, konnten wir teilweise nicht mehr den Zweck der Nutzung erkennen, so wie hier.
Das Werk arbeitete im Bergius-Pier-Verfahren. Der Durchsatz wurde in der Planungsphase zunächst auf 200.000 Tonnen synthetische Ölfertig- und Halbprodukte pro Jahr ausgelegt, bald aber auf 450.000 Tonnen, und schließlich auf 700.000 Tonnen erweitert. Diese Verarbeitungskapazitäten sind jedoch nicht mit der Menge tatsächlich hergestellter Kraftstoffe oder gar Flugbenzine gleichzusetzen. Die Produktpalette der Anlagen umfasste neben Flugbenzin, Fahrbenzin und Diesel unter anderem Schmiermittel, Brenn- und Treibgase, PVC-Kunststoffe, Paraffine, Kunstgummi. Zudem waren Nebenprodukte für die pharmazeutische Industrie bestimmt.
Die Produktion begann planungsgemäß im Frühjahr 1940. Im März 1943 konnte dieser Standort die Leunawerke überrunden und die Spitzenstellung in der Hierarchie der deutschen Mineralölerzeuger gewinnen. Allein auf diesen Standort entfielen 1943 rund 15 Prozent der gesamten deutschen Syntheseproduktion. Bei der Projektierung war für den Mobilmachungsfall die Umstellung der Produktion auf rund 60 Prozent Steinkohle berücksichtigt. Infolge des Kriegsverlaufs wurden hier dann vornehmlich oberschlesische Steinkohle, Kokereiteer von der Ruhr und Erdölrückstände insbesondere aus dem Wiener Becken und Rumänien verarbeitet. Unberücksichtigt der anderen Ölfertig- und Halbprodukte, erreichte das Werk seine höchste Kraftstofferzeugung im Jahr 1943 mit 577.000 Tonnen, darunter 478.000 Tonnen Flugbenzin.
Besonders wichtig wurde die Entwicklung eines Verfahrens zur Veredelung von Treibstoff zu Flugbenzin. Die Hydrieranlagen waren ergänzt durch DHD-Anlagen zur Umwandlung des erzeugten Hydrierbenzins beziehungsweise der übernommenen Erdölbenzine in Aromatenbenzin sowie durch Anlagen zur Herstellung von Alkylat-Treibstoff, später auch Isooctan, aus dem in der Hydrierung anfallenden Butan. Diese zusätzlich speziell hier entwickelten Anlagen, die ihre Produktion im Januar 1942 aufnahmen, waren weltweit die ersten industriellen Großanlagen ihrer Art. Derartige Anlagen liefen am Ende des Krieges in mehreren Hydrierwerken oder befanden sich da gerade im Aufbau.
Im Gegensatz zu den meisten anderen Mineralölprodukten wurde es im Verlaufe des Krieges immer schwieriger, Flugbenzin zu importieren. Geringe Mengen fertiges Flugbenzin kamen aus Raffinerien in Spanien, Rumänien und Albanien, dem Wiener Becken sowie den Erdölgebieten in Deutschland. Folglich war die deutsche Luftwaffe fast ausschließlich auf das in Hydrierwerken synthetisch hergestellte Flugbenzin angewiesen. Von allen Raffinerien und Treibstoffwerken im deutschen Einflussbereich entwickelte sich diese Standort im Laufe des Krieges zum größten Produzenten von Flugzeugbenzin. Von den im Monat März 1944 insgesamt der Luftwaffe zur Verfügung gestandenen 181.000 Tonnen Flugzeugbenzin entstammten drei Viertel der synthetischen Produktion.
Ein Leistungsabfall trat erst ab Mai 1944 infolge der alliierten Offensive gegen die deutsche Mineralölindustrie ein. Nach jedem Luftangriff wurde das Hydrierwerk jedoch wieder aufgebaut oder repariert. Das heißt, mit einem immer geringer werdenden Output produzierte das Werk nahezu bis zum Kriegsende weiter. Zeitweise meldete die Geschäftsleitung sogar, dass das Hydrierwerk wieder auf vollen Touren laufe, den Betrieb aber bald stoppen müsse, weil die Wehrmacht keinerlei Behälter für das erzeugte Benzin zurückführe. Darauf erteilte man den Befehl an die Wehrmacht und an alle Parteistellen, überall nach Kesselwagen, Fässern und Kanistern zu suchen.
Im Oktober 1944 erreichte die deutsche Gesamtproduktion von Flugbenzin nur noch 20.000 Tonnen, im November lag sie bei 49.000 und im Dezember bei 26.000 Tonnen. Aufgrund der starken Flak und des Wetters konnte der Standort im Herbst sowie zu Beginn des Winters 1944 nicht von feindlichen Bombern erreicht werden. Daher entfiel bereits ab Herbst 1944 fast die gesamte deutsche Flugtreibstoff-Produktion auf dieses Werk. Zum Jahreswechsel 1944/45 lagen dann alle großen Raffinerien und Treibstoffwerke im deutschen Einflussbereich still, nur dieses produzierte noch mit eingeschränkter Kapazität. Am 13. Januar fiel auch der Standort für kurze Zeit komplett aus.
Eine Vortragsnotiz des Reichswirtschaftsministeriums (Hauptabteilung Mineralöl) vom 19. Januar 1945 für den Chef OKW ergab, dass „seit dem Ausfall des Hydrierwerkes am 13. Januar kein Hydrierwerk mehr auf Flugbenzin“ lief. Nach kurzer Unterbrechung – und auch nach einem nochmaligen Angriff im März – gelang es jedoch, Teile der Anlagen wieder anzufahren. Das Werk produzierte weiter und versorgte sogar noch beim Endkampf um Berlin die Heeresgruppe Weichsel bis zum 26. April 1945 mit Fahrbenzin, wenn auch nicht mehr ausreichend.
Es soll ein Gentlemen’s Agreement zwischen der deutschen und US-amerikanischen Schwerindustrie gegeben habe, „dass die Hydrierwerke, für die die alliierten Länder so erhebliche Investitionen geleistet hatten, nicht zerstört würden. Tatsächlich begannen die konzentrierten Luftangriffe der westlichen Alliierten gegen alle deutschen Raffinerien und Treibstoffwerke erst ab Mai 1944. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass sich fast alle deutschen Hydrier- und Synthesewerke in Gebieten befanden, die später im sowjetischen Einflussbereich liegen würden.
Britischen Angaben zufolge fanden die ersten Aufklärungsflüge und einzelne Bombenabwürfe auf das Werk im August 1940 statt, bei denen die Produktion für zwei Tage zum Stillstand gekommen sei. Dagegen geht aus deutschen Quellen hervor, dass die ersten Bomben am 4. und 5. September 1940 auf das Werk fielen, bei denen zwölf deutsche und 15 slowakische Arbeiter ums Leben kamen, die Produktion jedoch sofort wieder aufgenommen werden konnte. Die nächsten Raids der Royal Air Force (RAF) folgten in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober und 26./27. Oktober 1940. Laut britischer Meldungen wurden dabei 30 Treibstofftanks zerstört und die Produktion für zwei Wochen unterbrochen. Deutsche Stellen meldeten hingegen nur geringe Schäden und keinerlei Ausfälle.
Jedoch begann ab diesem Zeitpunkt die sprichwörtliche Verwandlung des Werks in eine „Hydrierfestung“. Dazu zählten unter anderem Vernebelungs- und Scheinanlagen sowie die Installation zahlreicher Sperrballons zuzüglich einer weiteren Barriere um das gesamte Werk. Mehrere Anlagen wurden schon zu dieser Zeit in unterirdische Hallen, Tunnel und Bunkersysteme verlagert. Bis 1941 entstanden zum Schutz der Werktätigen und der Bevölkerung 120 Luftschutzbunker für über 23.000 Menschen. Neben fünf großen Hochbunkern und zahlreichen Röhrenbunkern, waren für den Luftschutz Splitterschutzzellen vom Typ Westermann charakteristisch.
Das Hydrierwerke galt über nahezu vier Kriegsjahre als eines der am schwierigsten zu findenden und der am besten geschützten Ziele. Nach den Raids im Oktober 1940 gelang den Alliierten bis Mai 1944 kein einziger Angriff auf das Werk.
Tatsächlich erfolgten die meisten Luftangriffe auf diese Anlage nicht von der RAF, sondern von den United States Army Air Forces (USAAF). Deren Piloten sprachen von der „Flakhölle“. So umfasste schon Ende 1941 der Flakschutzgürtel 320 schwere Flak-Geschütze der Kaliber 88 mm, 105 mm und 128 mm. Nach Beginn der alliierten Offensive gegen die deutschen Treibstoffwerke wurde ab Juni 1944 die Anzahl der Geschütze nochmals verstärkt. In der Gesamtheit betrachtet, gelang es der Verteidigung, die deutliche Mehrzahl der Luftangriffe bis Kriegsende abzuwehren.
Neben der Flak spielte für den Luftschutz die Vernebelung des Werks eine wichtige Rolle. Hier erprobte die Nebeltruppe der Luftwaffe erstmals Einsätze im Heimatkriegsgebiet. Die ersten vollständigen Vernebelungen des riesigen Fabrikgeländes stellten an die Einheitsführer besondere Anforderungen an Improvisationsfähigkeit, zumal weder hinreichende Erfahrungen vorlagen noch irgendwelche Richtlinien existierten. Der Erfolg der Nebeleinheiten war in der Hauptsache von der Beschaffenheit des jeweiligen Schutzobjektes, im Besonderen aber von den örtlichen meteorologischen Verhältnissen abhängig. Allgemein stellte sich als Vorteil bei Vernebelungsaktionen eine hohe Luftfeuchtigkeit heraus, was bei den Hydrierwerken aufgrund der Lage gegeben war.
Ebenso wurde bei der Anlage, in erhalten gebliebenen Berichten für den vollen Erfolg von Scheinanlagen hervorgehoben. Für das Werk entstanden riesige Attrappen nebst einer komplett vorgetäuschten Hafenanlage. Mit dem Einsatz der Radar-Navigation, bei gleichzeitiger Umstellung der alliierten Angriffstaktik auf den Masseneinsatz von Flugzeugen und Bomben, die großflächige Zerstörungen anrichteten, gingen die Erfolge der Scheinanlagen auch hier stark zurück.
Etwa zwei Wochen vor der alliierten Invasion in der Normandie begann die anglo-amerikanische Treibstoffoffensive. Zwischen dem 12. und 29. Mai 1944 flogen 1000 US-Bomber konzentrierte Angriffe gegen alle deutschen Raffinerien und Treibstoffwerke. Die Anlagen waren danach erheblich, meist total zerstört. Am 29. Mai 1944, einem Pfingstsonntag, erfolgte mit 224 Liberator-Kampfflugzeugen der erste schwere Angriff gegen dieses Werk. Durch die Schäden verringerte sich der Treibstoffausstoß um ein Drittel, wobei das Werk für mehrere Tage einen Totalausfall verzeichnen musste.
Am 20. Juni 1944 flogen die 8. USAAF mit 1368 Bombern unter dem Schutz von 729 Begleitjägern unter anderem erneut das Werk an. Vornehmlich von der Flak wurden 48 Bomber und 468 Begleitjäger abgeschossen, so dass der Befehl an die Bomberpiloten erging, den Angriff abzubrechen und ihre Last auf Ausweichziele abzuwerfen. Im August und September 1944 folgten weitere Großangriffe der RAF, die jedoch von der Flak abgewehrt werden konnten.
Erst Anfang Oktober 1944 versuchten die USAAF erneut, das Werk anzugreifen. In diesem Zusammenhang gilt der 6. Oktober 1944 als einer der dunkelsten Tage in der Geschichte von dem gesamten Gebiet. An diesem Tag entluden 110 US-amerikanische Bomber über 300 Tonnen ihrer tödlichen Last auf die angrenzende Hansestadt. Dies geschah, nachdem das eigentliche Angriffsziel, das Hydrierwerke , wegen starker Flak und schlechter Sicht aufgegeben wurde und die Stadt als Ausweichziel herhalten musste. Fast 680 Menschen verloren bei der sinnlosen Bombardierung ihr Leben. Sehr viele Häuser und Baudenkmäler, die Jahrhunderte überdauert hatten, gingen unwiederbringlich verloren.
Bis Kriegsende war der Munitionsverbrauch der Flakabwehr gewaltig. Als am 7. Oktober 1944, nur einen Tag nach dem Bombardement auf die angrenzende Stadt, ein Verband von etwa 240 Kampfflugzeugen der USAAF bei klarer Sicht erneut das Werk angriff, wurden bereits die vorausfliegenden Mosquito-Pfadfinder von Batterien der 6. Flak-Division abgefangen. Auf den sich dann nähernden Hauptpulk verschossen 400 schwere Flak über 40.000 Granaten. Nach diesem Fiasko der Alliierten erfolgten über zweieinhalb Monate keine Luftangriffe auf das Werk. Erst am 21. Dezember 1944 griffen 207 RAF-Bomber wieder an. Die Piloten verfehlten jedoch das Ziel und warfen ihre Fracht rund 10 Kilometer nördlich ab. Der Ort wurde dabei völlig zerstört. Im Werk verursachten an diesem Tag die Bomber nur leichte Beschädigungen (Schornstein am Kraftwerk eingestürzt).
Zu einem vorübergehenden Totalausfall der Produktion führte der Angriff in den späten Abendstunden des 13. Januar 1945. Innerhalb von 14 Minuten warfen 250 Flugzeuge 1600 Bomben über dem Werk ab. Das Hauptwerk wurde jedoch nicht getroffen. Für eine komplette Produktionsunterbrechung von zwei Tagen sorgten jedoch zahlreiche Luftminen mit Zeitzündern. Der letzte anglo-amerikanische Luftangriff fand am 8. März 1945 statt. Obwohl das Werk in den letzten Kriegswochen auch von sowjetischen Flugzeugen bombardiert und zuletzt sogar von der Roten Armee mit Artillerie beschossen wurde, lief die Produktion weiter. Erst am 26. April 1945 wurde Fabrikgelände von der Roten Armee erobert.
Nach Kriegsende blieb das Gebiet zunächst unter Kontrolle der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Als Kriegsbeute wurden 3 Hydrierwerke idemontiert und zu einem Hydrierwerk der Superlative mit einer monatlichen Kapazität von 130.000 Tonnen, respektive 1,56 Millionen Jahrestonnen aufgebaut.
Die Anlage hier hier galt als ein besonders gut dokumentiertes Beispiel für die Beschaffung von Arbeitskräften und den menschenverachtenden Arbeitsbedingungen sowjetischer Demontagen. Erhalten geblieben sind Sachakten mit mehreren Hundert Seiten, umfangreiches Material zu den Methoden von Organen und Vertretern der Besatzungsmacht, den Auftritten von Offizieren der Demontagekommissionen, der Erschießung deutscher Zivilisten, der Verschleppung deutscher Demontagearbeiter durch polnisches Militär und so weiter.
Für die Demontage dieses Hydrierwerkes setzte die sowjetische Besatzungsmacht in der Zeit vom Oktober 1945 bis Ende September 1946 kontinuierlich zwischen 15.000 und 20.000 zwangsverpflichtete deutsche Arbeitskräfte ein. Die Dimensionen waren unvorstellbar. Insgesamt sollten 220.000 Tonnen an Ausrüstung demontiert und verfrachtet werden: Elektromotoren, Transformatoren, Rohre, Stahlträger, Maschinen, Werkzeuge, Drehbänke, Schienen, Schwellen, Werkszüge, Kesselwagen, Hochdruckkessel, ganze Werkstatthallen, Schreib- und Rechenmaschinen, Büromöbel, Kupferkabel, Reagenzgläser etc. Die Demontagearbeiten mussten neben deutschen Kriegsgefangenen überwiegend junge Frauen und Mädchen verrichten. Die eine ehemalige Barackenunterkunft wurde ein Zwangsarbeitslager für über 20.000 deutsche Kriegsgefangene und der zweite Wohnbereich ein Lager für zwangsverpflichtete deutsche Frauen und Mädchen. Es herrschten katastrophale Versorgungs- und Arbeitsbedingungen.
Die polnischen Behörden betrachteten die Enklave als sowjetischen Affront. Der damalige Präsident des Landes hatte erfolglos bei Stalin persönlich interveniert, um die Sowjets von dem Plan abzuhalten, die zwar stark beschädigten, aber hochmodernen Anlagen zur Herstellung von Benzin zu demontieren. Mit der Demontage griff die Sowjetunion direkt in die Souveränität dieses Staates ein. Damit wurde dem Land die nicht nur der Zugriff auf ein ihr zugesprochenes Gebiet entzogen, sondern auch die Möglichkeit einer eigenen Ölproduktion.
Hinzu kam, dass die Rote Armee das besetzte Gebiet willkürlich nach Norden und Süden ausdehnte, was mit der Versorgung der Truppe zu tun hatte: Die entlang des großen Flusses liegenden Dörfer lieferten große Mengen Fisch. Das heißt, sowohl zur Demontage und zum Abtransport der Fabrikanlagen als auch zum Fischfang bedienten sich die sowjetischen Truppen der deutschen Bevölkerung. Dadurch war diese dem Zugriff der eigentlichen Verwaltung entzogen. Sie konnte nicht zwangsausgesiedelt und noch gravierender für die Behörden, nicht zur Zwangsarbeit rekrutiert werden. So wurden nach Schätzung heutiger Historiker allein auf dem Gebiet mehr als 185.000 Deutsche unter menschenunwürdigen Bedingungen in den neu gegründeten Staatlichen landwirtschaftlichen Betrieben (PGR), aber auch in der Industrie ausgebeutet. Erst 1950 war damit Schluss.
Die Sowjets spielten bewusst mit den deutsch-polnischen Antagonismen und genossen offensichtlich ihre Rolle als eigentliche Herren. So ließen sie deutsche Zwangsarbeiter auf dem Weg von den Lagern zur Demontage in das Werk deutsche Lieder singen und lancierten Gerüchte, über Zukunft dieses Gebiets als Freistaat.
Nach der polnischen Inbesitznahme diente das Werk unter anderem der Bevölkerung als Bezugsquelle von Paraffin, das an den Wänden noch vorhandener Tanks abgekratzt und bei der Herstellung von Kerzen verwendet wurde. Für staatliche Baugesellschaften war das Fabrikgelände bis 1957 ein riesiger Spender hochwertiger Baustoffe, wie Stahlträger, Edelstahlrohre, Kabel, Altmetall, Ziegel. Danach nutzte das polnische Militär den Komplex als Übungsgelände und Depot für Kraftstoffe, Munition, Waffen, Fahrzeuge, Sanitätsmaterial. Später entstanden auf Teilen des Areals beziehungsweise in direkter Nähe ein Chemiewerk
Seit Anfang der 1990er-Jahre ist das Gelände öffentlich zugänglich. Bis heute sind zahlreiche Betonruinen erhalten. Dazu zählen Skelette von Produktionshallen, Reste von Hydrierkammern, Tankwagenverladestationen, Öltanks, Bassins, Bunker, Schächte und so weiter. Daneben existieren umfangreiche unterirdische Anlagen in Form von Gängen, Kanälen, Becken, Bunkern, Gewölben, mehrstöckigen Räumen und Hallen. Die meisten dieser unterirdischen Bauwerke wurden kurz vor der Übergabe an die Rote Armee geflutet und stehen seitdem unter Wasser.
Einige Forscher vermuten, dass im Zuge der U-Verlagerung während des Zweiten Weltkriegs unter dem Werksgelände Europas größte mehrstöckige synthetische Benzinfabrik entstand. Taucher, die im Jahr 1971 das Labyrinth erkundeten, berichteten von zugemauerten Gängen und „großen Fragmenten unbekannter Anlagen“, die dick mit Paraffin überzogen waren, vermutlich absichtlich zum Schutz vor dem Wasser. Der Zutritt der gefluteten Bauwerke ist heute verboten. Die Sicht ist sehr schlecht. Es besteht Lebensgefahr. Auf und in dem stark kontaminierten und versumpften Wasser schwimmen Paraffinöle und andere chemische Substanzen.
Dessen ungeachtet ist das ehemalige Werksgelände seit dem Jahr 2008 ein Naturschutzgebiet der Europäischen Union. In den unterirdischen Anlagen haben sich tausende Fledermäuse angesiedelt.
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