Hier war die Recherche sehr umfangreich und ausgiebig. Hat aber extrem viel Spaß gemacht.
Aufstieg und Fall des Bäckerkönigs. Es war einmal… so beginnen viele Märchen, dieses ging jedoch nicht gut aus, , sondern nimmt ein böses Ende. Insolvenz, Arbeitsplatzverlust, Millionenschulden.
Der Elektrotechnik-Ingenieur war nach eigener Erzählung noch zu DDR-Zeiten über die ungarische Grenze in den Westen abgehauen, kaum dass in den dortigen Drahtzaun die ersten Löcher geschnitten waren. Um Geld zu verdienen, fuhr er in Nordrhein-Westfalen Brötchen für einen Großbäcker aus und knüpfte so erste Kontakte, die seine spätere Karriere beförderten. Schon 1992 zog es ihn wieder in die Heimat. Nach durchaus schwierigen und von Rückschlägen geprägten Anfangsjahren hat er mit einem Backwarenvertrieb Erfolg. Damals kamen tiefgekühlte Teiglinge in Mode, aus denen in Bäckereifilialen ruckzuck ofenwarme Brötchen entstehen können.
In den 90iger Jahren half die Treuhand indirekt zum steilen Aufstieg das Bäckerkönigs. Die Behörde hat das riesige Backwarenkombinat in seine Einzelteile zerlegt. Eins war diese Großbäckerei, die wir Euch zeigen. Dem Bäckerkönig, gelingt es, diese Firma als Großkunden zu gewinnen. Sein erster großer Akquise-Erfolg. Um unabhängig zu werden von den Lieferungen aus dem Ruhrgebiet, baut er ein Produktionswerk südlich von Berlin auf. Der Erfolg sprach sich in der Branche herum und so bot sich ihm kurz nach der Jahrtausendwende die Chance, die Mehrheitsanteile an der Pasewalker Mühlenback GmbH und an der Anklamer Backwaren GmbH zu erwerben. Das Geld kam durch einen sehr guten Verkauf der Produktionsstätten südlich von Berlin. Der Grundstein für ein Imperium war gelegt.
Als nächstes gründet er mit seiner Frau eine Beteiligungsgesellschaft. Das Paar sortiert, siebt aus, strukturiert um und schluckt den Großkunden aus dem obigen Album, der ebenfalls in die Pleite gerutscht ist. 2 Produktionsstätten an zwei weiteren Standorten von diesem Unternehmen, machte das Ehepaar dicht. Niemand sonst habe damals diese Ketten kaufen wollen, so dass er diese günstig erwerben konnte.
Über die kommenden Jahre wurde der Appetit des Unternehmens immer größer. Zahlreiche angeschlagene Bäckereien in Mecklenburg-Vorpommern wurden vom Bäckerkönig aufgesogen. Nicht immer konfliktfrei, vor allem beim Thema Arbeitnehmerrechte.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten tobt: "Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun." Der Vorwurf prallt jedoch an ihm ab. Er wusste schon früh, dass die Ostsee sich als Urlaubsregion im Gegensatz zum Hinterland wirtschaftlich besser entwickeln wird.
Das Unternehmen verzweigt sich immer mehr. Die Filialen werden in einer Gesellschaft gebündelt, die Produktion in eine andere. Geld, das übrig ist, landet in der Beteiligungsgesellschaft des Ehepaars. Das Paar betreibt Arbeitsteilung: Er kümmert sich um die Expansion, sie kontrolliert die Finanzen. Der Rest des Führungsteams besteht aus Bekannten und teilweisen Familienmitgliedern, wie der Sohn des Ehepaars.
Was dem Unternehmen damals fehlt, ist ein Erkennungsmerkmal. Das Ehepaar lässt ein Farbkonzept entwickeln und befragt Kunden. Er setzt alles auf diese Karte – und verzockt sich fast. Der helle Farbton war so extravagant, dass die Handelsketten ihn nicht mehr haben wollten. Später habe man eine dunklere Nuance gewählt. Das Ehepaar lässt ein Kundenmagazin in hunderttausendfacher Auflage drucken und organisiert mit einem Radiosender Heimat-Touren. Der Bäckerkönig ist gereift. Mit 141 Filialen liegt er 2009 auf Rang 21 unter den größten 100 deutschen Backunternehmen. Täglich wandern bis zu 120.000 Brötchen über die Ladentische.
Die nächste Übernahme steht an. Er hatte durch die letzten Übernahmen nun die Konsolidierung hinter sich, hatte gut gespart und die Taschen voll Geld. Er kaufte wieder eine insolvente Filialbäckerei. Doch beim nächsten Expansionsschritt gerät er fast ins Stolpern. 2011 fusioniert seine Holding mit der defizitären Dahlewitzer Landbäckerei GmbH südlich von Berlin. Dort hat ein Finanzinvestor die Mehrheit. Der Deal ist so komplex, dass ihn eine renommierte Wirtschaftskanzlei organisieren muss. Der Finanzinvestor, sowie niederländische Banken ermöglichen einen Kredit von fast 50 Millionen Euro. Der Bäckerkönig landete endgültig im Kapitalismus der Neuzeit.
Der Bäckerkönig ist nun Mitgesellschafter und Chef einer Bäckereikette mit 350 Filialen, fast 100 Millionen Euro Umsatz und rund 2.000 Beschäftigten. Bäcker-Bundesliga. Einen Konzernbetriebsrat gibt es nicht. Er sagte immer: es gibt niemanden, der so gut auf seine Mitarbeiter achtet wie er als Chef. Da braucht man keinen Betriebsrat. Trotz diverser Umstrukturierungen habe er mehr Arbeitsplätze geschaffen als zerstört.
Drei Jahre lang geht alles gut, dann gibt der Finanzinvestor seine Anteile an der Holding ab, für – wie es in der Backbranche heißt – rund 100 Millionen Euro. Käufer sind die Deutsche Beteiligungs-AG und einer ihrer Fonds. Das Ehepaar hält nach dem Deal knapp 15 Prozent an ihrem Großunternehmen. Er bleibt Geschäftsführer, sie erhält einen Beratervertrag. Der Konzern geht weiter in die Breite und übernimmt bald eine zahlungsunfähige Bäckerei- und Tiefkühlkostgruppe in Neubrandenburg. Der Bäckerkönig hat es im Ranking der deutschen Großbäcker zu dieser Zeit sogar auf Rang fünf geschafft.
Dann kam plötzlich doch ein Stoppschild. Um den Jahreswechsel 2018 kommt es zum Bruch zwischen der Deutschen Beteiligungs-AG und dem Bäckerkönig-Management. Seine engsten Vertrauten räumen als erste ihre Büros, dann muss auch der Gründer gehen. Der Vertrag mit seiner Frau wird nicht verlängert. Ein Mitglied der ehemaligen Geschäftsführung erklärte, es sei klar, warum man gehen musste. Man habe die Renditeerwartungen nicht erfüllt, die neuen Gesellschafter haben ein ganz anderes Anspruchsdenken reingebracht.
Mit der Firma ging es bergab. Unter neuer Geschäftsführung musste der Konzern nicht mal ein Jahr später, im Januar 2019, Insolvenz anmelden. Im April werden über 200 Mitarbeiter entlassen. Hintergrund waren laut dem neuen Eigentümer Defizite in der gesamten Wertschöpfungskette, vom Einkauf über die Produktion bis hin zur Warenauslieferung.
Dem Unternehmen wurde eine Schrumpfkur verordnet. Das Überlebenskonzept von 2019 sah eine Kette mit rund 2000 Mitarbeitern und 252 Filialen vor. Die Bäckerei in Brandenburg wurde geschlossen, Produktionsstandorte blieben in Neubrandenburg und Pasewalk. Vielleicht auch, weil das Land Mecklenburg-Vorpommern, das ein Unternehmen dieser Größenordnung in der ohnehin wirtschaftsschwachen vorpommerschen Einöde nicht einfach vor die Hunde gehen lassen wollte, sich zu einer ersten Landesbürgschaft von rund acht Millionen Euro durchrang. Später sollte noch eine zweite hinzukommen. Von insgesamt 14,4 Millionen Euro, mit denen man im Obligo steht, sprach das Schweriner Finanzministerium kürzlich auf Anfrage.
Im September 2019 startete der Konzern schuldenbefreit neu durch. Die Bäckereikette könne jetzt mit einer neuen Gesellschaftsstruktur und einer ausreichenden Kapitalbasis arbeiten, hieß es damals.
Doch so richtig in ruhiges Fahrwasser kam der Konzern nicht mehr. Mit dünner Kapitaldecke ging es in die Coronazeit, dann folgte nahtlos der Krieg in der Ukraine und die sich daraus ergebende Energiekrise, die Bäckereien besonders zu schaffen machte. Im Oktober 2023 musste der Konzern zum zweiten Mal Insolvenz anmelden. Nach dem vergeblichen Versuch, dies in Eigenverwaltung zu schaffen, übernahm zum Jahreswechsel ein Insolvenzverwalter die Geschäfte.
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