Das Horror Ferienheim

Auf Beschluss des Bundesvorstandes des FDGB wurde am 20.03.1947 der Feriendienst als gewerkschaftliche Sozialeinrichtung zur Vermittlung von Urlaubsreisen und -plätzen gegründet. Dadurch sollten die Urlaubsmöglichkeiten der Werktätigen schrittweise verbessert und die Attraktivität der Gewerkschaften gesteigert werden. Nach einem festgelegten Verteilerschlüssel, der sich auch an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Betriebe und Einrichtungen orientierte, erhielten die jeweiligen Grundorganisationen von den FDGB-Kreisvorständen die Reisen zugeteilt.

War das Kontingent zunächst recht begrenzt (1947 wurden 17.500 Urlaubsreisen vermittelt), versuchte die SED durch eine erhebliche Steigerung der staatlichen Zuschüsse nach dem Aufstand vom 17. Juni 1953 bei den Arbeitern verlorenes Ansehen zurückzugewinnen. Der FDGB konnte als nunmehr aufgewertete sozialpolitische Verteilungsagentur im Jahr 1956 bereits 600.000 Urlaubsreisen vermitteln, was Subventionen in Höhe von ca. 33 Millionen Mark erforderte. Gleichzeitig wurde der Bestand an Erholungsheimen kontinuierlich ausgebaut, sodass der FDGB 1988 etwa 695 Erholungsheime besaß und weitere 428 Einrichtungen nutzte.

Allerdings wurden die Schiffsreisen und zumeist auch die Interhotel-Plätze nur als Auszeichnung an "besonders verdiente FDGB-Mitglieder" vergeben, wozu offensichtlich auch die gewerkschaftliche Führungsschicht gehörte. Über die Belegung der 1988 etwa 76.000 betrieblichen Erholungseinrichtungen (einschließlich Bungalows, Wohnwagen und Zelte), die nicht im Besitz der Gewerkschaft, sondern Eigentum der entsprechenden Betriebe waren, entschieden ebenfalls die zuständigen gewerkschaftlichen Leitungen.

Der FDGB versuchte nach 1989 vergeblich, sich zu erneuern. Seine Zeit war abgelaufen. Am 14. September 1990 beschloss ein FDGB-Kongress die Auflösung der ostdeutschen Einheitsgewerkschaft zum 30. September 1990. Im August 1993 wurde das FDGB-Vermögen auf die ostdeutschen Kommunen und den DGB aufgeteilt. Der DGB erhielt zusätzlich noch 36 Gewerkschaftshäuser der einstigen DDR-Gewerkschaft.

Dieses Ferienheim wurde auch irgendwann in den 50igern gegründet. Nicht weit entfernt gab es ein Kinderheim. Anfang der 90iger tauchte hier regelmäßig „Der Millionär“ auf. So nannten ihn die Heimkinder. Er fuhr mit einem dicken Mercedes vor und holte dort Mädchen ab. Er wolle ihnen Sachen kaufen erzählte er. Er bringt sie in das ehemaliges FDGB-Heim. Das hat er von der Gemeinde gepachtet. Vorher, so erzählt es der Bürgermeister, hat er mit seinen Millionen geprahlt, die er ausgeben will. In dem kleinen Ort ist man nach dem DDR-Zusammenbruch froh, dass jemand kommt, mit Aufträgen und Plänen für das ehemalige DDR-Urlaubsdomizil.

Gerd M., so hieß der angebliche Millionär wirklich. Er fotografierte dort die Mädchen, brachte sie dazu sich gegenseitig anzufassen und machte noch andere schlimmere Dinger mit ihnen. Ein Mädchen, welches selber betroffen war, traute sich der Heimleiterin an. Man glaubte ihr nicht und stellte sie als Lügnerin dar. So fuhr sie weiter mit Gerd M. und einem anderen 10 jährigen Mädchen immer wieder mit zum FDGB Ferienheim und ihre „Freundin“ dort nicht alleine zu lassen. 

Irgendwann verschwand Gerd M. einfach über Nacht. Die Polizei durchsuchte die Büros im Ex-FDGB-Heim. Gerd M. hatte Rechnungen nicht bezahlt. Auch die Pacht an die Gemeinde blieb offen, genauso wie die Gehälter einiger Mitarbeiter. Die Heimmädchen erfuhren davon nichts. Erst ca. 25 später wurde den damaligen Heimkindern bei den Behörden ein offenes Ohr geschenkt. Und es war kein Einzelfall. Immer mehr ehemalige meldeten sich bezüglich der Vorfälle in dem FDGB Heim. 

Die Staatsanwaltschaft nimmt Ermittlungen auf und befragt diverse ehemalige Heimkinder. Die Schilderungen der Zeugen waren so eindeutig, dass die Staatsanwaltschaft umgehend Ermittlungen gegen Gerd M einleitete. Die Ermittler identifizieren Gerd M. Er wohnt in Berlin. Und noch eine Information erhalten sie. Gerd M. ist vorbestraft wegen Missbrauchs. Doch dann - während die Ermittlungen noch laufen - stirbt Gerd M.

Es bleibt die Heimleiterin. Auch sie wird vernommen. Sie leugnet nicht, dass Gerd M. die Heimkinder abholte, betont aber, dass sie den Kontakt zu dem Mann unterbunden habe, weil der mit ihnen Unterwäsche gekauft haben soll. Dass die Heimkinder jemals über die sexuellen Übergriffe mit ihr gesprochen haben, bestreitet sie. Auf die Frage, ob die Staatsanwaltschaft ihr das geglaubt habe, hat die Oberstaatsanwältin eine überraschende Antwort: "Diese Frage hat die Staatsanwaltschaft nicht mehr zu beantworten. Das hängt damit zusammen, dass die Straftaten verjährt sind." Denn dies ist das Ergebnis der Ermittlungen: Eine Tat Anfang der 90er-Jahre, betroffen - eine 14-Jährige, die damit als jugendlich gilt. Das ergibt aus juristischer Sicht: Verjährung. Und mehr noch, manche Dinge, die den Heimkindern und vielen anderen angetan wurden, waren damals nicht mal strafbar. Selbst wenn Gerd M. noch leben würde. Auch dass die Heimleiterin noch lebt und jahrelang weiter mit Kindern gearbeitet hat, spielt aus juristischer Sicht keine Rolle.

Inzwischen wurden die Verjährungsfristen deutlich verlängert. Aber das kommt zu spät für die damaligen Kinder, auch wenn sie heute erst Anfang 40 sind. Für sie und gegen die Täter kann die Justiz nichts mehr ausrichten.

 

Aktuell ist das gesamte Gelände von einem Investor aus Dresden gekauft worden. Es wird hier entkernt und entmüllt. Die Objekte sollen zu neuem Glanz erstrahlen und wohl wieder als Urlaubsdomizil genutzt werden. 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.