Dieses Stück Industriegeschichte fanden wir eher durch Zufall auf dem Rückweg bei einer unserer Tagestouren. Leider war es schon sehr spät und es wurde auch schnell dunkel, so dass wir nur einen kleinen Einblick in die Anlage erhaschen konnten. Für uns gibt es nichts Schlimmeres, als im Dunkeln auf Tour zugehen. Nicht dass wir Angst haben, aber zum einen ist man mit Taschenlampenlicht deutlich auffälliger, zum anderen sieht man weit aus weniger, gerade was die Bodenbeschaffenheit betrifft. Somit war danach eigentlich ein zweiter Besuch geplant, aus dem leider nichts mehr geworden ist. Warum erfahrt Ihr in der Geschichte hierzu.
1865 erwarb ein Mann ein Grundstück, welches reiche Vorkommen an Ton in der Erde hatte. Durch Bohrungen stellte man fest das ab einer Tiefe von rund 18 Metern eine ca. 25 Meter starke Tonschicht vorhanden war. Dies hatte zur Folge, dass man hier sehr Tief zur Tongewinnung graben musste.
Am Stadtrand, direkt in der Nähe der Tonvorkommen, wurde eine kleine Ziegelei erbaut. Am Anfang arbeiteten hier ca. 15 Menschen, die den Ton ausgruben und zu Ziegeln verarbeiteten. In klassischer Form, wurde der Ton hier im Tagesabbau gewonnen. Dadurch entstanden im Umfeld, nach und nach Restlöcher, die sich mit der Zeit mit Wasser füllten.
Alles erfolgte noch in mühsamer Handarbeit. Die Ziegel wurden in einem alten Ofen gebrannt, die der Unternehmer von einem Gutsbesitzer erwarb. Dieser wollte ihn loswerden und war froh, als dieser vom Unternehmer erworben wurde. Vermutlich war der Ofen anfänglich mit Holz und Kohle befeuert worden. Der Sohn des Unternehmers, der in die Firma mit einstieg, erweiterte und modernisierte den Betrieb ständig. Die nächste Erweiterung war der Umbau zu einer Dampfziegelei.
Als hätte er es damals schon gewusst, zeigte sich das der Betrieb an genau dem richtigen Standort erbaut wurde. 1896 wurde direkt in unmittelbarer Nähe ein zentraler Güterumschlagsbahnhof errichtet. Somit entfiel der aufwendige Transport der Ziegel durch Pferdefuhrwerke zum damals weiter entfernten Bahnhof. Von der Ziegelei führte eine Feldbahn nun direkt auf das Bahnhofsgelände und eine Verladerampe, die das Beladen von regulären Güterwagen deutlich erleichterte. Speziell für die Ziegelei wurde ein separates Güterverladegleis im Bahnhof gebaut.
Das Unternehmen wuchs schnell zu einem florierenden Betrieb heran. Neben Verblendziegeln, wurden hier auch Mauerziegel, Dachziegel, Drainagerohre und vieles mehr hergestellt. In Spitzenzeiten wurden jährlich rund 3 Millionen Ziegel im Güterbahnhof verladen.
Die Herstellung der Ziegel wurde mittlerweile in einem typischen Ringofen getätigt. Später wurde dieser noch um einen weiteren Ringofen erweitert.
Da die Tonvorkommen im direkten Umfeld irgendwann erschöpft waren, musste man neue Tonfelder erschließen. Hierzu wurde eine Feldbahn errichtet, die bis in die 1980iger Jahre betrieben wurde.
Um ca. 1925 verstarb der Sohn des Firmengründers. Seine Witwe führte das Unternehmen weiter
Der zweite Weltkrieg ging an der Ziegelei recht spurlos vorbei. Nach 1945 wurde es von russischen Besatzern für Reparationszwecke demontiert. Nachdem von der Ziegelei praktisch nur die Gebäudehüllen bestehen blieben, begann nach 1948 der schwierige Aufbau. Ziegel wurden dringend benötigt. Für die Brenn- und Trocknungsvorgänge wurde zunächst wieder Kohle genutzt. Irgendwann später wurde ein Drehofen eingebaut. In den 70iger Jahren wurde ein weiterer Drehofen mit Trocknerfunktion errichtet. In den 60igern ist man von Holz und Kohle, als Brennstoff, auf Öl umgestiegen. Öl war einfacher zu handhaben und es ließen sich höhere Brenntemperaturen erzeugen und der Produktions-Betrieb variabler fahren. Am Rande des Betriebsgeländes entstanden drei riesige Öltanks, die Zuleitungen zu den Brennern wurden unterirdisch verlegt.
Ab Anfang der 80iger Jahre wurde das Öl auf Braunkohlestaub zur Verbrennung umgestellt. Dies erforderte eine umfangreiche Überarbeitung von Kesseln, Brenner, Brennstoffzufuhr und dem Brand- bzw. Explosionsschutzkonzept.
Der Kohlebunker und ein Mahlwerk wurden recht provisorisch, in unmittelbarer Nähe des Brenners errichtet, direkt neben den Feldbahngleisen. Bis in die1980er Jahre erfolgte der Antransport von Ton und Kohle und der Abtransport der fertigen Ziegel und Baustoffe per Feldbahn.
Die Wendezeit 1989/1990 überstand die Ziegelei nicht lange. Zunächst erfolgte eine Privatisierung, die aber nicht von Erfolg gekrönt war. Ende 2019 begannen teilweise Abrissarbeiten. Mittlerweile ist die gesamte Anlage zurückgebaut und der teilweise kontaminierte Boden ausgetauscht. Einen zweiten Besuch haben wir leider nicht mehr geschafft.
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